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Wir sind alle ständig darauf aus unser Leben in irgendeiner Weise zu optimieren. Glück wird oftmals in Erfolg gemessen und dieser vermeintliche Erfolg lässt sich in allen möglichen Bereichen des Lebens erzielen. Der bestmöglichste Job mit dem Endziel der höchsten Position im Unternehmen. Dort dann möglichst viel Geld verdienen. Sich mit diesem Geld einen möglichst ansehnlichen Lifestyle ermöglichen und mit diesem Lifestyle dann den passenden Partner anlocken. Ganz so krass sieht es in den meisten Fällen natürlich nicht aus, doch den Anspruch an ein möglichst perfektes Leben im Gesamtpaket haben doch sehr viele Menschen verinnerlicht. Der Begriff des Perfektionismus ist inzwischen fast schon ein Trendwort. Irgendwie ist es cool ein Perfektionist zu sein. Hinter diesem Wort steckt fast schon eine ganze Bewegung. Eine Lebensform. Ich bin perfektionistisch. Aber ich bin dadurch nicht cool. Eigentlich eher ein Wrack. Perfektionismus ist alles – aber sicher kein Garant für Erfolg und erst recht nicht für Glück. Warum das so ist? Das schildere ich euch heute an einem Prachtexemplar. Mir selbst.

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Aus dem Leben eines Perfektionisten oder: Wie man sich selbst an den Rande des Wahnsinns treibt

Soll ich das Moos zwischen den Pflastersteinen da hinten noch weg bearbeiten?

Ja, solche Fragen stelle ich ganz ohne Ironie immer mal so der Person, die gerade in der Nähe ist. Da ich von überall aus arbeiten kann, ist das mal meine Mutter, mal mein Freund oder auch meine beste Freundin. Meist bekomme ich einen skeptischen Blick als Antwort und so versuche ich inzwischen diese Frage mit mir selbst auszumachen. Ich antworte meist: „Ja auf jeden Fall, das Grün stört im Gesamtbild“. Wenn es etwas gibt, worin ich wirklich nahezu perfekt bin, dann darin mir das Leben schwer zu machen. Dies beherrsche ich tatsächlich in allen Lebensbereichen erstaunlich gut. Ich denke, ich könnte darin sogar Workshops geben: „Der Weg zum Perfektionist: Lerne, in jeder Lebenslage an dir selbst zu zweifeln“. Das Streben nach der Höchstform und absoluten Selbstoptimierung entspringt einfach nur einer großen Unsicherheit. Es erfordert tatsächlich viel mehr Weitsicht und Stärke einfach mal „Fünfe gerade sein zu lassen“ ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Erfolg ersteht nicht aus Perfektionismus. Es ist immer gut ein Ziel vor Augen zu haben und stetig darauf hin zu arbeiten, aber das funktioniert nicht, indem man sich in jeder kleinsten Aufgabe verrennt. Und ja, das geht mir oftmals so. Ich könnte Stunden damit zubringen einer Fotoserie einen bestimmten Farbstich auszutreiben oder abstehende Härchen zu retuschieren. Ich halte außerdem strickt am Aufbau meiner Blogposts fest und veröffentliche keinen Beitrag unter 450 Wörtern. Auch 449 regen mich auf. Ebenso kann ich kein Sportprogramm starten, ohne meine Ernährung in allen Belangen darauf abzustimmen. Ich kann auch kein Zimmer meiner Wohnung als fertig renoviert bezeichnen, in welchem nicht jede Leiste ausnahmslos ordentlich angebracht ist. Ein Tag ohne abgehakte To-Do Liste ist ein Desaster und dafür arbeite ich gern bis mitten in der Nacht. Das Resultat: ich bin mit nichts zufrieden. Denn wie ihr euch schon denken könnt, ich werde diesen Ansprüchen nie gerecht. Nichtmal im Ansatz.

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Der Anspruch perfekt zu sein: Selbstsabotage par excellence

Das Problem des Perfektionismus ist unter anderem sich in Extremen zu bewegen. Es gibt kein Mittelmaß. Es gibt kein „Okay“. Es gibt nur Schwarz oder Weiß. Nuancen werden ausgeblendet. Ich übe mich darin auch mal mit dem Durchschnitt zufrieden zu sein, ohne sofort zu verzweifeln. Das Streben nach Perfektion ist wie ein Gift. Es ist die pure Selbstsabotage. Ich werde niemals perfekt sein. Meine Wohnung wird niemals aussehen wie in einem IKEA Katalog. Mein Blog wird nicht stetig aus hervorragenden Beiträgen auf Magazin-Niveau bestehen und ich werde niemals ein Sportjunkie werden. Und bis ich zu dieser Einsicht ehrlich sagen werde „Und das ist auch völlig okay so“ wird noch viel Zeit ins Land gehen. Ich falle unendlich oft in diese Muster zurück, ohne es zu merken. Ich verstricke mich in Kleinigkeiten. Ich gebe Studienleistungen für die Uni nicht ab, weil ich sie als zu schlecht formuliert empfinde. Ich poste Blogbeiträge und bin den ganzen Tag schlecht gelaunt, weil ich finde, dass das Teaserbild zu rechtslastig ist. Ich betrete mein Wohnzimmer und hasse sofort die schief montierte Kommodentür und das Rollo mit dem Wasserfleck und achso den Bilderrahmen, an welchem ein Stück Luft oberhalb des Fotos ist. Was da erst los ist, wenn ich an manchen Tagen vor dem Spiegel stehe, könnt ihr bestimmt erahnen. Ich schreibe diesen Beitrag also getreu dem Motto: „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“.

Wie wärs mal mit Mittelmaß: Ganz oder gar nicht ist keine Lösung

Was aus diesem Streben resultiert, ist im Prinzip das Gegenteil von Perfektion. Oftmals kommt dadurch nämlich rein gar nichts zustande. Ich kann euch das am Beispiel meiner Schulzeit ganz gut veranschaulichen. Die Fächer, die mir leicht fielen, wie Deutsch oder Kunst, habe ich mit Bravour gemeistert. Gute Noten, eine super mündliche Mitarbeit und gelobte Referate. Mathe ist mir schon immer schwergefallen. Mit Nachhilfeunterricht hatte ich maximal die Chance auf eine Drei. Doch wisst ihr, was eine Drei bedeutet? Sie ist das Sinnbild des Mittelmaßes. Das lohnt ja die Mühe nicht. Ich habe also Mathe verweigert und eine Fünf nach der anderen kassiert. Ganz oder gar nicht eben. Bescheuert, oder? Ja, ich weiß. Und trotzdem fällt es mir unendlich schwer dieses Verhalten abzulegen. Denn dieses Denken ist tief verankert. Alles muss stimmen, damit ich mich gut fühle. Damit ich Erfolg habe. Damit ich glücklich sein kann. Doch umso mehr ich recherchiere, umso älter ich werde und umso mehr Menschen ich treffe, merke ich vor allem eines: Glück ist Zufriedenheit. Nicht Erfolg ist Glück, nicht Geld ist Glück, nicht das Abhaken der To-Do Liste ist Glück. Nicht Perfektion ist Glück. Es ist das Schätzen dessen, was da ist und das Auskosten des Weges zum Ziel. Denn aus welchem Grund sollte ich mich ständig bestrafen, bis ich vermeintlich erfolgreich bin? Ich stehe ständig da und peitsche mich aus, um später davon zu profitieren. Doch ich kann mein Ziel des in allen Belangen perfekten Lebens nicht erreichen. Niemals. Deshalb setze ich mir nun offiziell ein neues Ziel: nicht perfekt sein. Der Mittelweg ist nicht umsonst golden.

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Spannendes Thema, oder? Wie steht ihr dem Thema „Perfektionismus“ gegenüber? Geht es euch manchmal ähnlich wie mir oder habt ihr einen goldenen Mittelweg gefunden? Schreibt es mir unbedingt in die Kommentare!

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17 thoughts on “Perfektionismus – Fluch oder Segen?

  1. Perfektionismus gibt es in keinen Phasen des Lebens. Der Mensch verliert dabei die Natürlichkeit und läuft Gefahr verkrampft zu wirken. Erfolg erreicht man auch mit lockerheit. Ist ein Mensch mit kleinen Fehlern nicht sympathisch? Loslösen von übertriebenem Ehrgeiz bringt auch Erfolg und Zufriedenheit

  2. Ich kann dich so gut verstehen, hier schreibt nämlich gerade eine sicher ebenso große Perfektionistin, wie du es bist. Ich finde auch immer wieder etwas, mit dem ich nicht zufrieden bin und halte mich schon mal stundenlang mit Kleinigkeiten auf. Das habe ich mittlerweile selbst eingesehen. So richtig bewusst geworden ist mir das erst, als ich mal darauf geachtet habe, wie lange ich an einem Blogpost und der Bildbearbeitung hocke. Und auch die eigene Wohnung ist ein super Beispiel, genauso wie die Ganz-oder-gar-nicht Mentalität, das ist bei mir genauso :D Ich versuche mittlerweile aber auch besser darauf zu achten und dass ich manche Sachen einfach gut sein lasse, wenn sie den Aufwand so nicht wert sind, den ich eigentlich gerne hineinstecken würde, damit es für mich perfekt ist. Hach ja, ein ganz schwieriges Thema :) Liebe Grüße, Julia

    1. Freut mich total zu hören, dass es mir nicht alleine so geht :D
      Ich verstricke mich wirklich unendlich lang in Kleinheiten. Vielleicht sollten wir eine Selbsthilfegruppe eröffnen ;D

  3. Das hast du wirklich sehr gut geschrieben. Früher war ich was Perfektionismus schlimmer. Ich habe auf viele Kleinigkeiten geachtet, aber iwann gemerkt, dass ich deswegen auch nicht glücklicher bin. Kein Mensch ist perfekt :)

  4. OH MEIN GOTT! Hast du das geschrieben oder ich? …. LEIDER erkenne ich mich da auch wieder, ebenfalls in allen Lebenslagen und ja, ich verabscheue es oftmals… Egal ob Kindererziehung, Gartenpflege oder irgendwelche nicht ordentlich aufgereihten Dekogegenstände. Ich arbeite auch immernoch an mir und hoffe immer noch das mit dem Alter auch die Gelassenheit kommt.. irgendwann…

  5. Deine Gedanke zu dem Thema fand ich sehr eindrücklich und sehr wahr. Ich konnte das an mir selbst, aber auch an anderen beobachten. Je mehr Perfektionismus da ist, umso machen wir uns das Leben nur selbst schwer, glücklich wird man damit tatsächlich nicht und für den Erfolg ist meist zu wenig Selbstvertrauen da… Liebe Grüße von Andreas